Ausblick Handelsimmobilien 2025: Der Handel in Deutschland braucht „natürliche Frequenz“
- Nationales und internationales Interesse an Einkaufszentren nimmt zu
- Bis 2035 wird Deutschland 10 Millionen m² Non-Food-Fläche verlieren
- Finanzierung von Handelsimmobilien wird deutlich anspruchsvoller
- Reduzierte Mietniveaus sind Chance für buntere Städte
- Attraktive Renditen an Verkehrsknotenpunkten und in 1-a-Lagen
Wie steht es um die Assetklasse Einzelhandel in Deutschland? Dieser Frage sind Gabriele Friedl, Senior- Produktspezialistin von der BayernLB, Lars Jähnichen, Geschäftsführer der IPH Gruppe, Maximilian Ludwig, Head of Asset Management DACH von der Real I.S. sowie Dirk Wehinger, Geschäftsführer von Argon, bei der gemeinsamen Pressekonferenz „Ausblick Handelsimmobilien 2025“ nachgegangen.
Finanzierung von Handelsimmobilien wird anspruchsvoller
Die ökonomischen Rahmenbedingungen für den Handel in Deutschland bleiben auch 2025 herausfordernd. Die Verunsicherung der Verbraucherinnen und Verbraucher ist groß, das Konsumklima ist verhalten. Entsprechend hoch ist die Sparneigung. Die BayernLB geht in Ihrer aktuellen Prognose von einer weiterhin insgesamt schwachen wirtschaftlichen Entwicklung im Euroraum und einer langfristigen Zinsniveau von 2,5 bis 3,0 Prozent aus.
„Der Handelsimmobilienbestand in Deutschland wird in den nächsten Jahren intensiver in der Finanzierung und Bewirtschaftung sein. Als finanzierende Bank müssen wir deshalb heute zwingend eine Perspektive für das Objekt erkennen können“, kommentiert Gabriele Friedl, Einzelhandelsexpertin bei der BayernLB. „Bei innerstädtischen Geschäftshäusern und anderen Handelsimmobilien ist ein detaillierter Prüfungsprozess erforderlich. Wir schauen uns u.a. die Makro- und die Mikrolage umfassend an. Wie entwickeln sich der Leerstand und die Frequenz im Umfeld? Wie ist das Gebäude konzipiert, hinsichtlich der Notwendigkeit der Flexibilität der Flächen in Bezug auf die immer schneller verändernden Mieterkonzepte, und welche objekttypischen Mieter- und Nachnutzungskonzepte sind vorgesehen? Auch die Wirtschaftlichkeit eines Umbaus oder einer Umwandlung einer Einzelhandelsimmobilie sowie die ESG-Kriterien der Immobile erfordern eine intensive Prüfung“, sagt Friedl weiter.
Shoppingcenter brauchen eine Story und Investitionsbereitschaft
„In vielen Gesprächen erkennen wir ein wieder zunehmendes nationales und internationales Interesse an Shoppingcentern in Deutschland“, sagt Lars Jähnichen, Geschäftsführer der IPH Gruppe. Dem aktuellen ZIA-Frühjahrsgutachtens zufolge, bei dem der Unternehmensverbund aus BBE Handelsberatung und IPH Gruppe die Ausführungen zum Einzelhandelsmarkt verantwortete, verzeichnete der Einzelhandel in Deutschland im zurückliegenden Jahr 2024 ein Umsatzplus von 1,3 Prozent auf 657,5 Milliarden Euro. Bis 2028 prognostizieren die Studienautoren einen Anstieg des Umsatzes im Einzelhandel auf mehr als 700 Milliarden Euro – zugleich dürften innerhalb der nächsten zehn Jahre schätzungsweise zehn Millionen Quadratmeter Non-Food-Handelsfläche wegfallen. „Der zunehmende Leerstand bietet enorme Chancen für neue Nutzungen, innovativere Konzepte und leistungsstarke Brands in den Innenstädten. Je größer und relevanter die Stadt ist, desto größer ist die Vielfalt an möglichen Nachnutzungsmöglichkeiten für alle Arten von Einzelhandelsimmobilien“, erläutert Lars Jähnichen, Geschäftsführer der IPH Gruppe.
Dabei nehme die Polarisierung im deutschen Handel weiter zu. Luxus und Discount funktionierten gut, die Mitte hat es schwer. Starke Städte und starke Einkaufszentren würden weiter gewinnen, B- und C-Städten drohten dagegen massive Verluste von Nonfood-Flächen. Der Fokus bei Einzelhandelsimmobilien läge heute und in den kommenden Jahren klar auf Bestandsentwicklungen. „Der Repositionierungsbedarf von Shoppingcentern in Deutschland ist enorm groß, für viele Objekte steht 2025 zudem ein Betreiberwechsel an. Eigentümer suchen Professionalität, denn ein Objekt kann man nur voranbringen, wenn man es aktiv gestaltet und nicht nur verwaltet. Eigentümer von Shoppingcenter brauchen dafür nicht nur eine permanente Investitionsbereitschaft, sondern auch eine klare Positionierung der Objekte und eine schlüssige Story – für die Mieter und alle weiteren Marktteilnahmer“, erläutert Jähnichen.
Moderat zunehmende Spitzenmieten und Transaktionsvolumen 2025 erwartet
„Die Bodenbildung in der Assetklasse Retail scheint erreicht. Die Zinsentwicklung dürfte für eine höhere Investitionsbereitschaft und für ein Transaktionsvolumen 2025 sorgen, das mindestens das Niveau von 2024 erreichen dürfte, ggf. werden wir sogar eine verhaltene Steigerung sehen“, sagt Maximilian Ludwig, Head of Asset Management DACH der Real I.S. Je nach Sub-Assetklasse lagen die Spitzenrenditen im vergangenen Jahr zwischen 4,6 und 7,5 Prozent – diese Stabilisierung dürfte sich auch 2025 fortsetzen. Dabei wird der Spread zwischen gut gelegenen und schlecht positionierten Shoppingcentern immer größer.
„Wir gehen von einer Steigerung der Spitzenmiete von jährlich zwei Prozent in den kommenden Jahren aus“, so Ludwig weiter. Attraktiv für institutionelle Investoren blieben innerstädtische Objekte, Highstreet-Immobilien, Lebensmittel- und Fachmarktzentren sowie gut positionierte Shoppingcenter in guten Lagen. Dagegen fallen Shoppingcenter in B- und C-Lagen weiter ab.
Handel funktioniert nur noch mit „natürlicher Frequenz“
„Als Teil eines langfristig orientierten Family Office sind wir vielfältig aufgestellt und beschäftigen uns hausintern mit Immobilien im In- und Ausland, Wertpapieren, Beteiligungen und eigenen Handelskonzepten. Attraktive Renditen sind im Immobilien- und speziell im Einzelhandelsimmobilienbereich – etwa im Vergleich zu sonstigen Anlagen – seit einigen Jahren nicht mehr leicht zu erzielen. Für unsere Investments in Einzelhandelsimmobilien sind wir deshalb sehr stark an Verkehrsknotenpunkten interessiert und suchen hier die natürliche Frequenz“, erläutert Dirk Wehinger, Geschäftsführer der 2008 gegründeten Argon GmbH aus Stuttgart, die zum Beispiel die Stachus Passagen in München managt.
„Nach unserer Auffassung funktioniert Handel nur noch, wenn es am Standort einen natürlichen Besucherfluss gibt. Handel braucht Frequenz, aber das Potenzial des Einzelhandels, selbst Frequenz zu generieren, wird immer begrenzter“, resümiert Wehinger.