Aengevelt sieht Trend zum Erlass von Milieuschutzsatzungen kritisch
Der DIP-Partner Aengevelt hält soziale Erhaltungssatzungen für kein geeignetes Instrument, um dem marktbedingten Anstieg des Mietenniveaus zu begegnen. In vielen Großstädten ist gegenwärtig ein Trend zu beobachten, für immer mehr Wohngebiete Milieuschutzsatzungen zu erlassen, mit denen Modernisierungen eingeschränkt werden und die Aufteilung von Wohngebäuden in Eigentumswohnungen verboten wird. Damit sollen einkommensschwächere Bewohner von Altbaugebieten vor Mietsteigerungen und Eigenbedarfskündigungen geschützt werden. Die Researchabteilung des Immobilienhauses Aengevelt verweist jedoch auf unerwünschte Risiken und Nebenwirkungen von Milieuschutzsatzungen und hält andere Instrumente für wirksamer.
Im Jahr 1976 wurde der § 172 in das Baugesetzbuch aufgenommen, der es Gemeinden ermöglicht, für bestimmte Gebiete Satzungen „zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung“ aufzustellen. Soziale Erhaltungssatzungen (auch als „Milieuschutzsatzungen“ bezeichnet) sehen vor, dass bauliche Änderungen (einschließlich Modernisierungen), Nutzungsänderungen sowie die Aufteilung in Wohneigentum genehmigungspflichtig werden und von der Gemeinde untersagt werden können. Damit sollen zum einen sogenannte Luxusmodernisierungen verhindert werden, die zu Mietsprüngen führen, und zum anderen Eigenbedarfskündigungen durch die Erwerber von neu aufgeteilten Eigentumswohnungen.
Seit dem Ende der 1970er Jahre haben Dutzende von Großstädten soziale Erhaltungssatzungen aufgestellt, teilweise – wie in Berlin – für große Teile ihrer Innenstädte. Ein jährlich stattfindender „Städteaustausch Soziale Erhaltungssatzung“ (zuletzt am 10./11. Oktober 2024) soll die Aufstellung weiterer Milieuschutzsatzungen erleichtern. Im November hat auch die Stadt Düsseldorf ihre erste soziale Erhaltungssatzung erlassen.
Trend aus Großbritanniern und den USA
Hintergrund für den Trend zur Aufstellung von Milieuschutzsatzungen ist eine stadtsoziologische Diskussion zum Thema „gentrification“ (zu Deutsch: „Nobilisierung“), die aus England und den USA importiert wurde. Der Begriff rührt daher, dass Angehörige des britischen Landadels („gentry“) in Londoner Altbaugebieten Häuser aufgekauft hatten, um sie zu modernisieren und als Stadtresidenzen zu nutzen. In nordamerikanischen Städten, wo es kaum Mieterschutz gibt, wird unter „gentrification“ die Verdrängung einkommensschwächerer Bevölkerungsgruppen durch wirtschaftlich stärkere Zuzügler verstanden. Die angelsächsische Debatte ist nach den Erkenntnissen von Aengevelt Research in Kreisen von Stadtsoziologen und Stadtplanern breit übernommen worden, obgleich hierzulande Verdrängungsprozesse durch Mietenregulierung (wie Vergleichsmieten und Kappungsg renzen) und Kündigungsschutz weitgehend ausgeschlossen sind. Allerdings kann es im Rahmen natürlicher Fluktuation zu einer allmählichen Veränderung der Bewohnerstruktur kommen, insbesondere, wenn bei Mieterwechseln Modernisierungen vorgenommen werden, die zu Mietanhebungen führen.
Viele Gutachten zur Aufstellung von Erhaltungssatzungen mit methodischen Mängeln
Der Gesetzgeber hat das Instrument der (sozialen) Erhaltungssatzungen eingeführt, um städtebauliche Strukturen konservieren zu können. Allerdings hat eine Metastudie der empirica AG aus dem Jahr 2020 aufgezeigt, dass „praktisch alle“ Gutachten, mit denen die Aufstellung von Erhaltungssatzungen begründet wurden, schwerwiegende methodische Mängel aufwiesen. Insbesondere findet praktisch nie ein Nachweis für einen Aufwertungsdruck und eine Verdrängung statt, die einfach anhand der angelsächsischen Lehrbuchliteratur unterstellt wird. So werden empirisch beobachtbare Veränderungsraten von 1 % bis 2 % pro Jahr als „Verdrängung“ interpretiert und mit Hilfe von methodisch fragwürdigen Indikatoren zu vollkommen unrealistischen Größenordnungen von 50 % aufgeblasen.
Falscher Ansatz: Milieuschutzsatzungen sollen Mietenanstieg entgegenwirken
Hatte sich bereits vor einigen Jahren angedeutet, dass viele Kommunen das Instrument der sozialen Erhaltungssatzung, das einen schwerwiegenden Eingriff in das Eigentumsrecht darstellt, offensichtlich missbräuchlich anwenden, so werden Milieuschutzsatzungen heute zunehmend erlassen, um dem Mietenanstieg entgegenzuwirken. Aengevelt Research verweist darauf, dass der tatsächlich seit dem Jahr 2009 nachweisbare überproportionale Anstieg des Mietniveaus auf das Verhältnis von Angebot und Nachfrage zurückzuführen ist, weil der Wohnungsneubau nicht mit dem Anstieg der Zahl der Privathaushalte mit Wohnbedarf schrittgehalten hat.
Dr. Wullf Aengevelt, geschäftsführender Gesellschafter Aengevelt Immobilien: „Sämtliche mietenregulierende Maßnahmen, ob Mietpreisbremse, Verschärfung des Vergleichsmietensystems, Senkung der Kappungsgrenzen oder – wie neuerdings – die vermehrte Einführung von Milieuschutzsatzungen, sind Ausdruck der wohnungspolitischen Verzweiflung, weil Bund, Länder und Kommunen nicht den Willen aufbringen, die Rahmenbedingungen für den Neubau von Wohnungen nachhaltig zu verbessern. Restriktive Eingriffe in Marktprozesse und das Eigentumsrecht verschärfen die Situation nur noch, weil sie Investoren davon abschrecken, ihr Kapital in den Wohnungsbau zu investieren.“
Milieuschutzsatzungen verhindern die soziale und ökologische Weiterentwicklung des Wohnungsbestands
Milieuschutzsatzungen können Modernisierungsinvestitionen unterbinden, wenn sie – wie etwa in Düsseldorf beabsichtigt – dazu genutzt werden, den Einbau eines Panoramafensters, eines zweiten Balkons oder eines Wintergartens zu verhindern. Damit unterbleiben nach Beobachtungen von Aengevelt auch vielfach energetische Sanierungen oder die Schaffung altersgerechter, barrierefreier Wohnungen.
Dr. Wulff Aengevelt: „Ein ungeeignetes Instrument zur Begrenzung des Mietenanstiegs verhindert somit die soziale und ökologische Weiterentwicklung des Wohnungsbestands.“
Da Verdrängungsprozesse, wie sie aus nordamerikanischen Städten bekannt sind, in deutschen Großstädten ohnehin kaum bekannt sind, stellt Aengevelt Research die Sinnhaftigkeit sozialer Erhaltungssatzungen grundsätzlich infrage. Veränderungen in der Sozialstruktur der Bewohnerschaft eines Viertels ergeben sich allein schon aufgrund von Alterungsprozessen – wenn etwa aus einkommensschwachen Studierenden gutverdienende Akademiker werden. Um dem Mietenanstieg wirksam entgegenzuwirken, hilft Aengevelt zufolge nichts anderes als eine Ausweitung des Wohnungsangebots. Dazu empfiehlt das Immobilienhaus, die bewährten drei Säulen der Wohnungsbauförderung wieder zu reaktivieren: Den sozialen Wohnungsbau, die steuerliche Begünstigung des freifinanzierten Wohnungsbaus und die Förderung des Wohneigentums. Zusätzlich müssten kostentreibende Regulierungen von Bund, Ländern und Gemeinden auf den Prüfstand gestellt werden – von Stellplatzverordnungen bis zum Gebäudeenergiegesetz. Außerdem können Kommunen durch sogenannte Konzeptvergaben das Grundstückspreisniveau senken, um den Wohnungsbau zu erleichtern. Beim Wohnungsneubau kommt es nicht unbedingt darauf an, preiswerte Wohnungen zu schaffen, weil selbst der Bau von Luxuswohnungen dazu beiträgt, das Mietenniveau zu senken, weil dadurch einkommensschwächeren Wohnungssuchenden wirtschaftlich stärkere Konkurrenten erspart werden.