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Berliner Wohnungsmarkt erstarrt und bietet kaum Umzugsmöglichkeiten

Großer Abstand zwischen Neuvertrags- und Bestandsmieten führt zu Ineffizienzen und Fehlbelegungen / Investoreninteresse an Mehrfamilienhäusern steigt vor allem bei Berliner Käufern / Energieeffiziente Neubauten versprechen Einsparungen bei der zweiten Miete

Berlin, 29.04.2025
v.l.n.r: Dr. Lars Vandrei, Head of Research Catella Investment Management; Martin Stock, Fund Manager Catella Investment Management;  Philip C. Hetzer, Geschäftsführender Gesellschafter DAHLER Invest.

Berlin ist nicht nur der größte, sondern auch der am meisten diskutierte Wohnungsmarkt in Deutschland – und wahrscheinlich auch im kontinentalen Europa. Allenfalls die Spitzen bei den Wohnungspreisen in London bekommen international noch mehr Aufmerksamkeit als die Entwicklung der Neuvertragsmieten in Berlin. Das bestätigten die Teilnehmer einer Pressekonferenz zum Berliner Wohnungsmarkt, darunter Lars Vandrei, Head of Research Catella Investment Management, Martin Stock, Fund Manager Catella Investment Management, und Philip C. Hetzer, Geschäftsführender Gesellschafter DAHLER Invest.

Bemerkenswert sei das Wachstum der Neuvertragsmieten von + 74 Prozent für Neubau- und 62 Prozent für Bestandswohnungen in den vergangenen zehn Jahren. „Damit führt Berlin das Ranking der deutschen Top-8-Städte aus Hamburg, München, Frankfurt, Stuttgart, Köln, Düsseldorf, Leipzig und Berlin an. Bei der Entwicklung der Kaufpreise belegt Berlin dagegen nur den dritten Platz bei Neubauwohnungen mit einem Zuwachs von 84 Prozent und bei Bestandswohnungen den zweiten Platz mit einer Steigerung von 100 Prozent“, sagt Lars Vandrei. 

Ursächlich für den starken Mietpreisanstieg seien der geringe Neubau und das niedrige Ausgangsniveau, das im Verein mit der gesetzlichen Mietenregulierung wiederum zu einem enormen Abstand zwischen Bestands- und Neuvertragsmieten geführt habe. Vandrei beziffert diesen auf fast 92 Prozent. Damit nehme Berlin den Spitzenplatz unter den deutschen Top-8-Städten ein. Zum Vergleich: In Hamburg, Stuttgart, München und Köln liegen die Neuvertragsmieten um 55 bis 64 Prozent über den Bestandsmieten. in Frankfurt, Düsseldorf und Leipzig beträgt der Abstand 46, 33 und 27 Prozent. 

„Der große und wachsende Abstand zwischen Bestands- und Neuvertragsmieten hat einen Teufelskreis in Gang gesetzt“, sagt Vandrei. „Weil Umzüge für Bestandsmieter tendenziell immer teurer werden, sinkt die Fluktuation. Verkleinerte Haushalte bleiben in ihren großen Wohnungen und erzeugen Ineffizienzen und Fehlbelegungen, was wiederum einerseits zu einem geringeren Angebot bei Bestandswohnungen und anderseits zu einem schnelleren Anstieg der Neuvertragsmieten führt.“

Für Investoren stellt sich der große Abstand zwischen Bestands- und Neuvertragsmieten dagegen vielfach als Potenzial dar. „Anleger, die ein Mehrfamilienhaus erwerben, interessieren sich nicht nur für Lage, Zustand und Kaufpreis, sondern auch für den Spread zwischen den aktuellen Mieteinnahmen und perspektivisch möglichen Mieten. Die Anpassungsmöglichkeiten sind dabei auch unter den Bedingungen der Mietpreisbremse oft erheblich, weil insbesondere private Eigentümer Mietanpassungen häufig unterlassen“, sagt Philip C. Hetzer. Zudem seien der geringe Wohnungsbau und die hohe Nachfrage das Reziprok der Vermietungs- und Einnahmesicherheit. „Wer in Berlin bereits länger Wohnungen vermietet, erinnert sich noch an Leestände von mehr als fünf Prozent und Marktmieten, die teils unter den Bestandsmieten lagen“, sagt Hetzer. „Das kommt nicht wieder und das hat sich auch bei den Anlegern herumgesprochen.“

Bereits im vergangenen Jahr verzeichnete der Berliner Markt für Mehrfamilien-, Wohn- und Geschäftshäuser deutliche Zeichen der Belebung. Nach Informationen des Gutachterausschusses ist die Zahl der verkauften Immobilien im Vergleich zum Vorjahr um 11,3 Prozent auf 669 gestiegen. Gleichzeitig hat sich der Geldumsatz um 44 Prozent von 2,98 Mrd. auf 4,30 Mrd. Euro erhöht.

Wirtschaftliche Verunsicherung und gestiegene Zinsen haben sich lediglich bei der Preisbildung niedergeschlagen. Der durchschnittliche Kaufpreis pro Quadratmeter ist bei Mehrfamilienhäusern über alle Objektgrößen und Baujahre hinweg im vergangenen Jahr um 8,5 Prozent auf 1.954 Euro/qm gesunken, bei Wohn- und Geschäftshäusern war ein Minus von 8,8 Prozent auf 1.870 Euro/qm zu verzeichnen. Und auch die Kaufpreisfaktoren haben 2024 nachgegeben. Bei Mehrfamilienhäusern in Berlin lag der Multiplikator der Jahresnettokaltmiete im vergangenen Jahr durchschnittlich bei 23,1 und damit 3,0 Faktoren unterhalb des Vorjahreswertes.

„Das aktuelle Marktumfeld macht es für Anleger wieder deutlich attraktiver in den Berliner Wohnungsmarkt zu investieren“, berichtet Hetzer. Dabei planen die Käufer von heute mit einer viel längeren Haltedauer, als es während des Superzyklus der Fall war. Denn durch die höheren Zinsen ist aktuell eine ganz andere Zielgruppe am Markt aktiv: „Wir sprechen hier von privaten und semiprofessionellen Investoren, die vor allem zum generationenübergreifenden Vermögensaufbau oder zur Diversifizierung ihrer Portfolioallokation kaufen. Wir sehen auch, dass wieder mehr Berliner in Berlin kaufen. So liegt beispielsweise der Anteil der Berliner Käufer für aufgeteilte Häuser bei rund 80 Prozent.“ 

Die Chancen für Wohnungssuchende haben sich dagegen nicht verbessert. Hoffnungen machen vereinzelte Projekte in und um Berlin. Bei der Pressekonferenz stellte Martin Stock unter anderem den Fortschritt beim Falkenquartier in Weißensee sowie beim Kasernenumbau im südöstlich von Berlin gelegenen Zossen vor. Dort entstehen in fünf ehemals von der Roten Armee genutzten Gebäuden 208 Wohnungen mit einer Gesamtwohnfläche von rund 14.000 Quadratmetern. Drei der fünf Häuser wurden bereits fertiggestellt. Die übrigen zwei sollen Ende des Jahres folgen, berichtet Stock. 

Die Fertigstellung des 67 Wohnungen umfassenden Falkenquartiers ist noch in diesem Quartal geplant. Das Vorhaben wird in Holzhybrid-Modulbauweise errichtet und soll dank Luftwärmepumpe, Solar- und PV-Anlage den Standard KfW Effizienzhaus 40 NH erfüllen.