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CoreNet Global (CNG): Wie teuer ist Deutschland wirklich? Eine immobilienwirtschaftliche Perspektive auf Standortkosten und Wettbewerbsfähigkeit

Frankfurt am Main, 19.03.2025

Deutschlands Wirtschaft – und mit ihr die Immobilienbranche – steht unter Druck: Steigende Bau- und Betriebskosten, langsame Genehmigungsverfahren und schwindende internationale Wettbewerbsfähigkeit insgesamt belasten Unternehmen und Investoren. Der Mastertalk #36 von CoreNet Global (CNG) stellte daher die zentrale Frage: „Wie teuer ist Deutschland wirklich?“

Gastgeber Thomas Glatte, Professor für Immobilienwirtschaft an der Hochschule Fresenius und als CNG-Vorstandsmitglied für Aus- und Weiterbildung zuständig, eröffnete die Veranstaltung mit dem Hinweis, dass es nicht um eine politische Diskussion, sondern um eine sachliche Analyse gehen solle.„In den letzten Monaten wurde das Thema immer wieder medial aufgegriffen. Wir wollen es heute aus einer faktenbasierten, immobilienwirtschaftlichen Perspektive beleuchten.“ Steffen Skopp, Director Deloitte Consulting, und Andreas Kühne, Geschäftsführer der Bauakademie Unternehmensgruppe legten mit ihren Impulsvorträgen die globale und lokale Basis für die anschließende Diskussion. Carola Wehrenberg, Prokuristin bei Covestro Real Estate, berichtete aus der Praxis eines internationalen Konzerns.

Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit sinkt

Steffen Skopp von Deloitte zeigte auf, dass die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands laut IMD World Competitiveness Ranking in den letzten Jahren kontinuierlich abgebaut hat: Deutschland fiel im IMD-Ranking von Platz 15 (2022) auf Platz 24 (2024) zurück. Das ist ein klares Signal, dass Unternehmen Deutschland als Investitionsstandort zunehmend meiden.“ Laut Deloitte CFO Survey 2024 seien Kostensenkungen die oberste Priorität für Unternehmen, während neue Investitionen in Deutschland kaum noch geplant seien. „In den kommenden fünf Jahren werden viele Unternehmen eher in Nordamerika, andere europäische Länder oder Asien investieren“, so Skopp.

Ein bedeutsamer Negativfaktor – neben den zu hohen Kosten und Steuern – sei die Bürokratie. In anderen Ländern gehen Genehmigungen zügig, in Deutschland dauern sie Jahre. Besonders das produzierende Gewerbe zieht es ins Ausland, weil die Rahmenbedingungen hier nicht mehr attraktiv sind.“ Prof. Glatte bestätigte später diesen Trend und warnte vor den langfristigen Folgen: „Das größte Problem ist, dass sich immer mehr Firmen gegen Deutschland entscheiden. Einmal abgewanderte Produktionen kehren selten zurück.“ Einen der wenigen Lichtblicke sah Skopp in der IT-Branche, die allerdings nur aus Gründen der Datensicherheit, Regulierung und Nähe zu den Kunden so stark in Deutschland investiere.

Betriebskosten belasten den Immobilienmarkt

Andreas Kühne von der Bauakademie Unternehmensgruppe legte dar, wie die Betriebskosten im Immobiliensektor (OPEX) in den vergangenen Jahren gestiegen seien. Seit 2006 stiegen die Betriebskosten für Büroimmobilien um 18 Prozent, für Life-Science-Immobilien sogar um 56 Prozent. Letzteres liege vor allem daran, dass Aufwendungen für Energie den Löwenanteil ausmachen. Besonders in Spitzenlagen machten die Nebenkosten bereits bis zu 25 Prozent der gesamten Mietkosten aus. „Die Betriebskosten steigen schneller als die Kaltmieten. Für Investoren bedeutet das: Geringere Renditen und eine steigende Cashflow-Belastung“, mahnte Kühne.

Besonders problematisch sei hier, dass Vermieter in Vorleistung gehen müssten. Kühne wies darauf hin, dass die Kosten nicht gleichmäßig steigen, sondern oft zyklisch verlaufen. „In guten Zeiten werden Instandhaltungen großzügig finanziert, in Krisenzeiten werden Budgets eingefroren – mit langfristig teuren Folgen.“ Mit Corona beispielsweise wurde eine weitere Sparrunde eingeläutet, danach kam der Ukraine-Krieg. Die Krisen kommen heute in kürzeren Abständen – längere Ruhephasen, wie früher, gibt es kaum nochHinzukomme die starke Inflation der vergangenen Jahre und hohe Lohnabschlüsse – alles weitere Kostentreiber. Insgesamt und dies sei eine Leistung der Branche, liege aber die Kostensteigerung bei Büros von 2006 bis heute unter der Inflationsrate. Kühnes Fazit: „Diese positive Performance kommt deshalb zustande, da die Brache gegengesteuert und gut gehaushaltet hat.“

Langsame Genehmigungen – ein Standortkiller

Carola Wehrenberg von Covestro, einem global aktiven Chemiekonzern, betonte im Hinblick auf die Rahmenbedingungen, dass die größten Herausforderungen für Investitionen in Deutschland in den langen Genehmigungszeiten und hohen Kosten lägen.„So dauert ein neuer Bebauungsplan in Deutschland nicht selten zehn Jahre oder länger.“ Das sei ein gravierender Wettbewerbsnachteil, da Unternehmen nicht so lange warten könnten.

Hohe Energiekosten und strenge Regulierungen verschärfen das Problem. Hinzu komme eine deutlich geringere Wachstumsdynamik als in anderen Regionen. „Vor neuen Investitionsentscheidungen benchmarken wir unsere verschiedenen globalen Standorte, und derzeit sind die USA und Asien in vielen Bereichen attraktiver als Deutschland.“ Glatte bestätigte dies durch offizielle Zahlen,denen zufolge im vergangenen Jahr deutsche Unternehmen 120 Milliarden Euro im Ausland investiert haben, 90 Milliarden davon in der EU, während ausländische Firmen wiederum im Gegenzug nur 22 Milliarden Euro bei uns investiert haben.

Diskussion: Mangelwirtschaft und überbordende Regulierung

In der Diskussion brachte Co-Moderator Peter Prischl das fatale Phänomen des Goldplating ins Spiel – die deutsche, aber auch österreichische Neigung, auf bestehende Vorschriften weitere Zusatzanforderungen zu packen. „Warum müssen wir jede Regulierung noch einmal verschärfen, bis kaum noch jemand investieren will? In anderen Ländern geht das viel pragmatischer.“Skopp meinte, dass es nicht nur um Bürokratie gehe, sondern um die generelle Standortstrategie. Die zentrale Frage: Welche Industrien sollen in Deutschland bleiben? Ohne gezielte Standortförderung wird der Abwärtstrend weitergehen.“ Wehrenberg unterstrich, dass Investitionen nach harten wirtschaftlichen und Benchmark-Kriterien entschieden würden. „Wenn ein Bebauungsplan allein zehn Jahre dauert, ist Deutschland schlicht nicht konkurrenzfähig.“ Prischl schlug daraufhin später eine Lösung vor: „Ein Genehmigungsindex, der die Bearbeitungszeiten transparenter macht, würde Behörden unter Druck setzen und so Anreize für effizientere Verfahren schaffen.“Zum Thema Kostenmanagement erinnerte Kühne daran, dass in Deutschland oft an den falschen Stellen gespart werde. „Viele Unternehmen halten zu große Immobilienbestände, die kaum noch genutzt werden. Stattdessen sollten sie Flächen effizienter einzusetzen und durchaus auch mieten/ vermieten.“ Der damit zusammenhängende Aspekt der Organisationsform eröffnete sogleich Perspektiven für ein eigenes Mastertalk-Thema.

Zukunftsperspektiven – was muss sich ändern?

Schließlich stellte Glatte seine legendäre Abschlussfrage: „Wo stehen wir in fünf Jahren?“ Kühne prognostizierte, dass künftig vor allem die Betriebskosten steigen werden – besonders wegen höherer Löhne. Unternehmen müssten zudem Flächeneffizienz neu denken und Betriebsstrukturen anpassen. Der Erfolg stehe und falle mit den Managementleistungen, er stelle sich auf eine Schrumpfung der Industrie ein. Wehrenberg forderte niedrigere Baupreise insgesamt, auch bei Wohnungen, und schnellere Genehmigungen, da Unternehmen in erster Linie Planungssicherheit benötigten. Skopp machte deutlich, dass Deutschland „Mut, Geld und Frieden“ brauche.

Glatte schloss mit der Forderung und zitierte dabei die Trumpf-Vorstandsvorsitzende Nicola Leibinger-Kammüller: „Weniger Regulierung, gezielte Investitionen in Infrastruktur und Bildung. Die Wirtschaft muss arbeiten dürfen, ohne ständig durch neue Hürden behindert zu werden.“Am 22. April geht der Mastertalk weiter mit dem Thema „Business Improvement Districts – Wie stärken wir unsere Städte wirtschaftlich?“ Bis dahin bleibt die zentrale Frage: Wie kann Deutschland den Standortvorteil zurückgewinnen, ohne seine Stärken zu verlieren?