Europäische Baubranche zwischen Krise und Chancen
- Europäischer Bausektor mit Aufschwung in 2025
- KI-Boom treibt Bau von Rechenzentren – Frankfurt und Berlin etablieren sich als führende Standorte in Europa
- Öffentliche Investitionen in Energie und Infrastruktur tragen zu moderater Erholung bei
- Aufgrund sinkender Nachfrage verschieben einige Batteriehersteller ihre Bauvorhaben
- Fachkräftemangel und steigende Insolvenzen bremsen Wachstumspotenzial
Die europäische Baubranche zeigt ein differenziertes Bild: Während für 2025 in den meisten europäischen Ländern ein Aufschwung erwartet wird, bremsen Fachkräftemangel und die steigenden Insolvenzen bei den Bauunternehmen das Wachstumspotenzial¹. Positive Impulse verspricht der Technologiesektor durch den KI-Trend getriebene Investitionen in den Bau von Rechenzentren. Das zeigt der „Construction Market Insights Report”, in dem Linesight, ein internationales Bauberatungsunternehmen, die Baubranche in elf europäischen Schlüsselmärkten vergleicht und analysiert.
Nach einem schwierigen Jahr 2023 mit wirtschaftlichen Rückgängen in Finnland, Irland, Deutschland und Schweden setzte die Europäische Zentralbank im Juni 2024 mit einer Zinssenkung positive Signale. Die Bank of England folgte im August. „Auch in Deutschland erwarten wir nach einem herausfordernden Jahr 2024 eine leichte Erholung”, erläutert Michael Riordan, Senior Director, Europe bei Linesight. Mit einem prognostizierten Anstieg der Bauleistung um 0,9 Prozent reiht sich Deutschland im europäischen Vergleich im Mittelfeld ein. Während die meisten analysierten Länder von einem Anstieg der Bauproduktion profitieren werden, wird für Großbritannien und Dänemark ein moderater Rückgang prognostiziert. In Italien wird sogar ein deutliches Minus von fast neun Prozent erwartet (1).
Technologiesektor boomt – Fachkräftemangel und Insolvenzen belasten
„Wir beobachten eine zunehmende Polarisierung des Marktes”, erklärt Riordan. Einerseits wächst der Technologiesektor enorm – der Energiebedarf für KI-getriebene Rechenzentren wird bis 2028 um das Dreifache steigen (2). Mit der steigenden Nachfrage nach KI nimmt der Bau von systemkritischen Industrieanlagen wie Rechenzentren deutlich zu. Deutschland profitiert besonders von dieser Entwicklung und etabliert sich als erstes europäisches Land mit zwei Tier-1-Standorten für Rechenzentren in Frankfurt und Berlin (2). Auch der wachsende Anteil erneuerbarer Energien treibt Investitionen in neue Infrastrukturprojekte an, ein Trend, der durch Europas Engagement für Klimaneutralität beschleunigt wird. 2023 machten erneuerbare Energien erstmals 44,7 Prozent der Stromerzeugung in der EU aus (3).
„Allerdings beobachten wir auch gegenläufige Trends”, ergänzt Riordan. Die veränderte globale Nachfrage führt zu Verzögerungen bei Bauprojekten in einigen Hightech-Fertigungssektoren. Besonders betroffen sind Batteriehersteller, die nicht nur bestehende Projekte verzögern, sondern auch neue Vorhaben verkleinern oder ganz aussetzen. Auch die Rohstoffmärkte bleiben volatil: Während Kupfer- und Aluminiumpreise über dem Niveau von 2023 liegen, sinken die Stahlpreise wegen schwacher Nachfrage und hoher Lagerbestände.
Der Fachkräftemangel verschärft die Lage. „Allein in Deutschland fehlen bis 2030 etwa 100.000 Fachkräfte (4), die für diese technologisch anspruchsvollen Projekte dringend benötigt werden”, warnt Riordan. „Mit dem erwarteten Wachstum der vom KI-Trend getriebenen Projekte wird sich diese Situation noch deutlich verschärfen – der Spitzenbedarf an Arbeitskräften für diese Großprojekte wird erheblich über dem aktuellen Niveau liegen.” Gleichzeitig kämpfen viele traditionelle Bauunternehmen ums Überleben: In Großbritannien stieg die Zahl der Insolvenzen bis August 2024 um 33,9 Prozent gegenüber 2019¹. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Insolvenzrate im Baugewerbe mit 8,5 je 10.000 Unternehmen deutlich über dem nationalen Durchschnitt von 5,6 (5).
Neue Perspektiven durch EU-Milliardenförderung
Die Zukunft bietet vielversprechende Perspektiven, nicht zuletzt durch EU-Förderprogramme wie die Recovery and Resilience Facility. Diese stellt bis zu 807 Milliarden Euro für Reformen und Projekte in Europa bereit, mit einem Schwerpunkt auf nachhaltigen Bauvorhaben und öffentlicher Infrastruktur. „Die Transformation der Branche wird sich 2025 weiter beschleunigen,” prognostiziert Riordan. „Besonders Unternehmen, die sich auf nachhaltige und technologisch anspruchsvolle Projekte spezialisieren, werden profitieren.”
Construction Market Insights Report
Der Construction Market Insights Report beleuchtet zweimal jährlich die wichtigsten Trends in der europäischen Baubranche und vergleicht die Entwicklungen in elf europäischen Schlüsselmärkten (Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Israel, Italien, Niederlande, Schweden und Großbritannien).
Der Report basiert auf den aktuellsten, quartalsweise erhobenen Marktdaten. Linesight analysiert dafür Daten aus einer Vielzahl von verifizierten Quellen und arbeitet mit zahlreichen Stakeholdern entlang der gesamten Lieferkette zusammen. Zudem werden makroökonomische Indikatoren verschiedener Institutionen wie IMF, Eurostat und nationale Statistikämter für die Analyse herangezogen.
Die ausführlichen Ergebnisse können über den nachstehenden Link heruntergeladen werden: Construction Market Insights Report November 2024
Quellen:
(1) Linesight Construction Market Insights Report November 2024
(2) Linesight Construction Market Insights Report März 2024
(3) Europäische Kommission, Lage der Energieunion 2024
(4) Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, Pressemitteilung
(5) Statistisches Bundesamt, Insolvenzstatistik Oktober 2024