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Gebäudetyp-E-Gesetz für günstiges Bauen springt zu kurz 

Berlin, 26.09.2024

Mit dem Gebäudetyp-E-Gesetz will der Gesetzgeber die Errichtung von Gebäuden erleichtern. Durch eine Reduzierung technischer Normen soll innovatives und kostengünstiges Bauen gefördert werden. Der Gesetzesentwurf hat in der Verbändeanhörung erhebliche Kritik erfahren. Der Deutsche Anwaltverein (DAV), vertreten durch den Ausschuss Privates Bau- und Architektenrecht, begrüßt grundsätzlich die Bemühungen des Gesetzgebers zur Deregulierung, äußert jedoch deutliche Kritik an der handwerklichen Umsetzung der geplanten Regelungen.

„Das Gebäudetyp-E-Gesetz ist zwar gut gemeint, allerdings sind die Vorschläge nicht geeignet, einen brauchbaren Beitrag zur Lösung der bestehenden Herausforderungen im Bauwesen zu leisten,“ sagt Rechtanwalt Prof. Dr. Klaus Eschenbruch, Vorsitzender des DAV-Ausschusses Privates Bau- und Architektenrecht.

Im Kern zielt der Referentenentwurf des Gesetzes zur zivilrechtlichen Erleichterung des Gebäudebaus darauf ab, Abweichungen von bautechnischen Normen zu erleichtern und Aufklärungspflichten zu reduzieren, um dadurch kostengünstigeres Bauen zu ermöglichen. Doch die neuen Regelungen, insbesondere die Änderungen der §§ 650a und 650o BGB, sind handwerklich nicht gut gemacht.

Prof. Eschenbruch: „Solange der Gesetzgeber nicht davon ablässt, anerkannte Regeln der Technik, die keine Relevanz für ein standsicheres Bauvorhaben haben, zwingend vorzugeben, wie etwa im öffentlichen Baurecht oder Gebäudeenergiegesetz (GEG), muss die Regelung leerlaufen und erzeugt lediglich Wertungswidersprüche. Außerdem werden durch zusätzliche Abgrenzungen neue Anwendungsprobleme geschaffen, die die Rechtslage nicht deregulieren, sondern verkomplizieren.“

Kritikpunkte im Detail:

  1. Zugänglichkeit der bautechnischen Normen: Erstmals wird im BGB eine Regelung verankert, wonach technische Normungen, die sicherheitstechnische Festlegungen enthalten, anerkannte Regeln der Technik sein sollen. Über die einschlägige Rechtsprechung sind sie damit auch Bestandteil von Leistungspflichten. Zumindest für diese Normen ist dann auch dafür Sorge zu tragen, dass sie frei verfügbar sind. „Das ist heute nicht einmal für die DIN-Normen gegeben, die in jedem Einzelfall teuer erworben werden müssen“, sagt Rechtsanwalt am BGH Prof. Dr. Volkert Vorwerk, Stellvertretender Vorsitzender des DAV-Ausschusses.
  2. Unklare Definitionen und Regelungswidersprüche: Unklare „Definitionen und Regelungswidersprüche, die Einführung neuer Begrifflichkeiten, wie „sicherheitstechnische Festlegungen“, „reine Ausstattungs- und Komfortmerkmale“ und auch „Gebäudebauvertrag“ und „fachkundige Unternehmen“, lassen viele Fragen offen und schaffen Abgrenzungsbedarf auf mehreren Ebenen, die einer Deregulierung im Wege stehen“, erklärt Rechtsanwalt Christian Meier, Mitglied im DAV-Ausschuss.
  3. Die Einführung eines neuen Vertragstyps, des Gebäudebauvertrages, erscheint überflüssig. Die Regelung ist ein Fremdkörper im Bauvertragsrecht. „Warum nur bei Gebäuden und nicht bei Industriebauwerken oder Anlagenbauprojekten – und erst recht dort – eine Abweichung von DIN-Normen zwischen Vertragsparteien ohne weitere Einschränkungen vereinbart werden soll, ist einfach nicht nachvollziehbar“, meint Rechtsanwältin Kerstin Irl, Mitglied des DAV-Ausschusses.
  4. Einseitige Perspektive: Die neuen Regelungen sollen nur die Fälle privilegieren, in denen ein Unternehmer von den anerkannten Regeln der Technik abweichen will. „Die für die Deregulierung des Bauens maßgeblichen Aktivitäten öffentlicher und privater Auftraggeber, die im Zusammenhang mit ihren Architekten Abweichungen von den Regeln der Technik vorschlagen wollen, werden nicht berücksichtigt“, meint Rechtanwältin Christine Weyand, Mitglied des DAV-Ausschusses.

Sachmangelbegriff des Werkvertragsrechts im Fokus

Der DAV-Ausschuss empfiehlt vielmehr eine Anpassung des § 633 Abs. 2 BGB um einen neuen Satz 3, in dem klargestellt wird, dass dann keine mangelhafte Leistung vorliegt, wenn in einer Beschaffenheitsvereinbarung zwischen Unternehmen oder juristischen Personen von anerkannten Regeln der Technik, deren Anwendung nicht gesetzlich vorgeben ist, abgewichen wird. Diese Regelung schafft Rechtssicherheit. Eine Reduzierung der Informationspflichten, die ohnehin nur angenommen werden kann, wenn und soweit Informationsdefizite bestehen, erscheint nicht erforderlich.

Zukunftsweisende Deregulierung dringend erforderlich

Um die Krise im Wohnungsbau nachhaltig positiv zu beeinflussen, ist eine Deregulierung dringend erforderlich. Hierzu gehören Vorgaben an die nationalen Regulierungsinstitutionen und die Vertreter in internationalen Regulierungsinstitutionen, bautechnische Regelungen auf das wirklich Notwendige zu beschränken und zudem bei allen gesetzgeberischen Vorhaben, insbesondere im öffentlichen Baurecht und etwa auch im Umweltrecht (z. B. Gebäudeenergiegesetz) dafür zu sorgen, dass keine zusätzliche Überregulierung entsteht.

Rechtsanwalt Dr. Meinhard Forkert, Mitglied des DAV-Ausschusses: „Wir brauchen klare und praxisgerechte Regelungen, die eine echte Deregulierung ermöglichen, ohne die Qualität und Sicherheit im Bauwesen zu gefährden.“