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Iris Schöberl im Interview mit den Immofrauen

26.06.2024
Iris Schöberl ist neue Präsidentin des Zentralen Immobilien Ausschusses ZIA, die Immofrauen gratulieren

„Der Zweifel liegt mir nicht. Ich bin eher Optimistin, denn in Worst-Case-Szenarien zu denken, bringt uns nicht wirklich weiter. Es macht Spaß, gut zu sein. Mit weniger Bürokratie können wir wieder ins Tun kommen.“

Iris Schöberl, neugewählte Präsidentin des Zentralen Immobilien Ausschusses ZIA und Gründungsmitglied der Immofrauen, im Interview mit Jutta Heusel, aktive Vorstandsvorsitzende der Immofrauen.

Liebe Iris, wir haben 2024, und ein multiples Krisenszenario liegt hinter uns. Es gibt inzwischen erste Anzeichen eines wieder anspringenden Marktes. Was haben die letzten Jahre mit Dir gemacht und wie geht es Dir persönlich und beruflich hier und heute?

IS: Persönlich geht es mir sehr gut. Meine Kinder und Eltern sind gesund und glücklich. Das ist das Wichtigste. Aber um mich herum stelle ich eine zunehmende Dünnhäutigkeit fest. Ich begegne dem mit mehr Gelassenheit und sehe die positive Seite darin, dass es unterschiedliche Ansichten und Meinungen gibt. Das erweitert die eigene Perspektive. Geschäftlich sehe ich vor allem den starken Zinsanstieg. Dieser hatte und hat Auswirkungen auf Immobilienwerte, Finanzierung und Anlegerverhalten. Das bringt große Herausforderungen, aber ich habe ein tolles Team, und meine bereits genannte Gelassenheit kommt mir auch hier zugute.

Du bist zur Präsidentin des ZIA, dem einflussreichsten Verband der Immobilienwirtschaft, gewählt worden. Herzlichen Glückwunsch! Das damit verbundene Ehrenamt ist sehr anspruchsvoll. Du hast bereits im Vorfeld gesagt, dass Du das leisten kannst und auch willst. Welche Ziele hast Du Dir für Deine Legislatur gesetzt?

IS: Ich will einerseits künftig den gesamten Vorstand und die Geschäftsleitung sichtbarer machen. Sie arbeiten alle im Hintergrund mit, nur wird das nach außen kaum wahrgenommen. Das ist aber wichtig, um der Politik und auch den Mitgliedern zu zeigen, dass die Arbeit auf viele Schultern verteilt wird. Der ZIA verfügt über gebündeltes Expertenwissen. Ich will den ZIA daher noch stärker als Trusted Adviser positionieren – weg vom reinen Absender von Forderungen, hin zu einem vertrauenswürdigen Berater mit Sachverstand. Zuhören, die individuellen Motivationen der verschiedenen Stakeholder herausfiltern und dann Brücken bauen.

Als weiteres wesentliches Ziel will ich die Leistungen unserer Branche sichtbarer machen. Denn wir haben immer noch ein Imageproblem. Natürlich gibt es auch vereinzelt schwarze Schafe in der Immobilienwirtschaft, aber die übergroße Mehrheit sind sehr gute, faire und professionelle Marktteilnehmer. Den wenigsten ist zum Beispiel bekannt, dass potenzielle ZIA-Mitgliedsunternehmen vorher gecheckt werden und der Vorstand gemeinsam abstimmt, ob sie dann Mitglied werden dürfen. Diese Prozesse möchte ich mehr nach außen tragen, damit wir die Akzeptanz erhöhen und vom Reden ins Handeln kommen. Wir müssen deutlich machen, was die Immobilienbranche für eine wertbildende Funktion hat. Wir unterschätzen immer noch die Bedeutung unserer gebauten Umwelt. Wenn ich mir den aktuellen Standard der Wohnungen anschaue und diesen mit der Situation vor 40 Jahren vergleiche, haben wir riesige Fortschritte erzielt. Dies gilt ebenso für Büros. Und insgesamt betrifft das dann die Stadtentwicklung. Da Baurecht Landesrecht ist, möchte ich die Regionen stärker unterstützen und über die regionalen ZIA-Vorstände an die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder herantreten.

Und innerhalb des Themenkomplexes ESG ist natürlich die Dekarbonisierung das Hauptthema. Momentan scheint Reporten oft noch wichtiger als Handeln. Und damit geht eine Fehlallokation der kostbaren Ressource Personal einher. Wir sollten unbedingt verstärkt zum Machen übergehen!

Es ist das erste Mal in der Historie, dass eine Frau dem ZIA als Präsidentin vorsteht. Was bedeutet das für Dich?

IS: Ich bin stolz, dass mein Engagement und meine Leistungen mich so weit gebracht haben. Und ich bin stolz, ein Vorbild sein zu dürfen. Es braucht diese Rollenmodelle. Ein junges Mädchen, das nicht sieht, dass eine Frau Führung übernehmen und beispielsweise Vorständin, Präsidentin oder Aufsichtsrätin werden kann, kommt auch nicht auf die Idee, dass das auch für sie möglich ist. Zusammen mit Aygül Özkan, der Hauptgeschäftsführerin des ZIA, sind wir zwei Frauen an der Spitze des ZIA – das ist ein gutes Signal. Die Förderung der Diversität war auch meinem Vorgänger und jahrelangen Vorstandskollegen Dr. Andreas Mattner ein besonderes Anliegen. Sein Engagement für Vielfalt im Verband zahlt sich nun aus. Es geht um ein Miteinander. Ein guter Mix als Mehrwert für die Branche.

Wie siehst Du künftig die Engagements und Verteilung der Frauen im Vorstand des ZIA?

IS: Ich denke, dass durch das Rollenmodell künftig mehr Frauen ihren Hut in den Ring werfen werden. Mir ist aber wichtig zu betonen, dass der Vorstand des ZIA es sich zur Aufgabe macht, die Wertschöpfungskette der gesamten Immobilienbranche abzubilden. Dabei geht es um Wissen, Erfahrung und Expertise, nicht um das Geschlecht. Der Vorstand wird von den Mitgliedern für drei Jahre gewählt. Wir werden also in drei Jahren sehen, wie viele sich dann bewerben. Dass sich etwas verändert, davon bin ich überzeugt. Im ZIA selbst besteht derzeit ein fast paritätisches Verhältnis bei den Mitarbeitenden.

Du verfügst über eine lange und beeindruckende Erfahrung in der Immobilienbranche. Welchen Rat würdest Du rückblickend Deinem jüngeren Ich geben?

IS: Ich habe diese Frage schon einmal in einem Mentorengespräch gestellt bekommen. Und hielt sie damals schon für schwer zu beantworten. Aber ich versuche es. Der Zweifel liegt mir nicht, ich bin eher Optimistin. Im Wesentlichen würde mein Rat wohl lauten: Iris, die anderen sind nicht besser als Du. Mache Deinen Job und fordere mehr Geld!

Wenn Du drei Dinge benennen müsstest, die sich in unserer Branche dringend ändern müssen, welche wären das und warum?

IS: Erstens, und hier spricht wieder mein Optimismus, gilt es, Entscheidungsspielräume und Sachverhalte positiv zu interpretieren. Nicht immer in Worst-Case-Szenarien denken. Das betrifft unsere ganze Branche, aber auch unsere Zivilgesellschaft. Anstatt „better safe than sorry“ eher „Das Glück ist mit den Mutigen“.

Unsere Branche steht vor großen Herausforderungen: Nachhaltigkeit bestimmt künftig die Rendite und damit alle Aspekte unseres künftigen Handelns. Zudem gibt es einen akuten Fachkräftemangel, der sich perspektivisch eher noch verschärfen wird. Last but not least ist der Dealmarkt (auch aufgrund des Zinsniveaus) immer noch nicht wieder in dem Umfang angesprungen, wie viele es erwartet und erhofft haben.

Wenn Du für Dich eine Priorisierung vornehmen müsstest: Welcher Herausforderung würdest Du Dich zuvorderst stellen?

IS: Wenn der Transaktionsmarkt weiterhin am Boden bleibt, haben wir ein großes Problem. Die Wertschätzung für die Immobilie als Anlageklasse und als sinnvolle Abrundung der Portfoliostrategie muss dringend wieder gestärkt werden. Diese Entwicklung ist aber aufgrund des sinkenden Zinsniveaus absehbar.

Hinzu kommt, dass die Investoren wissen, dass sie an ihren Bestand rangehen müssen, um die Dekarbonisierung hinzubekommen. Dort werden also in jedem Fall Mittel allokiert werden.

Wenn wir das auf unseren Wohnungsbestand übertragen, stehen dort gewaltige Summen im Raum. Da gibt es Investoren, die das gerne machen würden, aber die brauchen eine gewisse Rendite. Wie lässt sich das rechnen? Eine Frage, die wir gemeinsam mit der Politik beantworten müssen.

Damit kommen wir auch zum Fachkräftemangel. Wer kann das alles überhaupt umsetzen? Und damit meine ich nicht nur die ausführenden Gewerke. Es muss auch beim Investor und beim Asset Manager gesteuert werden. Hier unterstützt uns natürlich die voranschreitende Digitalisierung. Wir werden nicht umhinkommen, die Produktivität pro Person zu erhöhen, und das schaffen wir nur, indem wir Tools haben, die es den Menschen ermöglichen, produktiver zu sein, sich auf Vermietungen, auf den Investor, auf die richtige Lage zu konzentrieren und andere Prozesse automatisch ablaufen zu lassen. Und dann ist auch klar, dass wir noch viel mehr Energie in die Forschung lenken müssen. Wenn man die Immobilienbranche mit der Pharmabranche vergleicht, dann ist hier noch viel Luft nach oben.

Iris, Du bist auch Gründungsmitglied des Frauen in der Immobilienwirtschaft e. V.. Seit seiner Gründung 2000 hat sich der Verein zu einem überregionalen Zusammenschluss engagierter, berufstätiger Frauen aus der Immobilienbranche mit mittlerweile über 1.300 Mitglieder entwickelt.

Was hat Dich seinerzeit inspiriert, den Verein ins Leben zu rufen?

IS: Ich komme von der Hypovereinsbank. Diese war zu jener Zeit stark männerdominiert. Daher bin ich trotz all meines Engagements irgendwann nicht mehr weitergekommen, sondern an die berühmte gläserne Decke gestoßen. Ich wusste aber nicht, dass es daran liegt, dass ich eine Frau bin. Dann hatte ich ein Gespräch mit Ingeborg Warschke [Anm. d. Red.: Nach ihr ist der gleichnamige Nachwuchsförderpreis benannt], die damals bei der Helaba war und dort trotz Führungsposition als mehrfache Geschäftsführerin diverser Geschäftseinheiten nicht die Anerkennung erhielt wie ihre männlichen Kollegen. Und erst da wurde mir wirklich bewusst: Ja, es liegt daran, dass wir Frauen sind. Und das war für mich die Initialzündung.

Die Immofrauen werden nächstes Jahr stolze 25. Was wünschst Du Dir für den Verband, wo siehst Du ihn zu seinem 30. Geburtstag?

IS: Ich wünsche mir für den Verein, dass er weiterhin wächst. Ich sehe ihn in 2030 als einen Taktgeber für die Branche. Und ich wünsche mir einen engen Austausch mit sämtlichen Headhuntern, denn die nachfolgende Generation wird die der Aufsichtsräte sein. Und durch den Austausch lernen die Mitglieder, welche Anforderungen an sie selbst gestellt werden, damit sie diese Ziele erreichen. Daher bin ich davon überzeugt, dass es einer solchen Zieldefinition bedarf.

Was möchtest Du den Immofrauen mit auf den Weg geben?

IS: Von den jüngeren Mitgliedern lernen! Denn wir [Anm. d. Red.: meint die ältere Generation] sind ja alle immer ein bisschen professionell eingefahren, nachdem wir schon so lange in unserem Business sind und auch unsere Kämpfe hatten. Die jüngeren Mitglieder kommen ohne jeglichen Ballast daher, sind frisch, frech und frei. Und tatsächlich hat die Welt sich glücklicherweise weiterentwickelt. Es ist schön zu sehen, dass Frauen den Mut haben, etwas anzuschieben.

Du möchtest den Frauen mitgeben, dass man stärker neue Wege beschreibt und sich eigene Ziele setzt?

IS: Ja, genau. Bisher war es meist ein Austausch, ein miteinander Vernetzen, aber vielleicht noch nicht so zielgerichtet. Das kann z. B. auch in Form von Kodizes und Werten erfolgen, so wie es auch der ZIA macht. So entwickeln sich der Verband und seine Mitgliederinnen weiter. Und das ist es, was die Branche dringend braucht.

Liebe Iris, nochmals herzlichen Glückwunsch zu Deiner Wahl zur Präsidentin des ZIA und vielen Dank für das Interview.

 

 

Iris Schöberl ist neue Präsidentin des Zentralen Immobilien Ausschusses ZIA
v. l. n. r.: Iris Schöberl, Jutta Heusel
Bildquelle: Immofrauen

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https://www.immofrauen.de