Koalitionsvertrag: Gegenwind für Vermieter und mehr Pragmatismus
JLL-Analyse sieht Licht und Schatten in den Vorhaben von Union und SPD
Im zwischen CDU/CSU und SPD ausgehandelten Koalitionsvertrag wird auch die Wohnungs- und Bauwirtschaft ausführlich adressiert. JLL hat die konkreten Maßnahmen der Koalitionäre zum Thema „Bauen und Wohnen“ analysiert*. Im Folgenden werden die wichtigsten Punkte und deren mögliche Konsequenzen für die Immobilienbranche erörtert.
Viel Stimulus für den Wohnungsneubau
Beim Wohnungsbau war ein Konsens zwischen den Parteien erwartet worden. Hier lagen die Positionen in den Wahlprogrammen nahe beieinander: Verfahren sollen weiter digitalisiert, vereinfacht und beschleunigt sowie das Planungsrecht teilweise angepasst werden. Folglich unterstreicht auch der Koalitionsvertrag in vielen Punkten die Bedeutung der Schaffung neuer Wohnungen. So soll das Planungs-, Bau-, Umwelt-, Vergabe- und das Verfahrensrecht grundsätzlich hinsichtlich einer Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung überarbeitet werden. Die Digitalisierung des Bauwesens wird mittels Building Information Modeling (BIM) weiter vorangetrieben.
In den ersten 100 Tagen der neuen Bundesregierung soll ein Gesetzentwurf zur Einführung eines Wohnungsbauturbos vorgelegt werden. Dies dürfte auch Maßnahmen wie etwa Möglichkeiten der Sonderabschreibungen enthalten. Baustandards sollen vereinfacht und der Gebäudetyp E rechtlich besser abgesichert werden, sodass das Abweichen von den anerkannten Regeln der Technik zukünftig kein Sachmangel mehr ist.
Beschleunigt werden soll der Wohnungsneubau auch durch serielles, modulares und systemisches Bauen. Die zeitlich befristete Förderung von EH55-Standards soll zur Aktivierung des bestehenden Bauüberhangs beitragen sowie der soziale Wohnungsbau ausgebaut werden. Zudem wurde eine wichtige Botschaft gesendet, indem es weiterhin ein eigenständiges Ministerium „Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen“ geben soll, erneut unter der Leitung der SPD – „und hoffentlich mit mehr Kompetenzen und Mitteln als bisher“, sagt Roman Heidrich, Lead Director Residential Valuation JLL Germany.
Infrastrukturmaßnahmen könnten Personalmangel in der Bauwirtschaft verschärfen
Während eine Reihe an Maßnahmen zur Stimulierung des Wohnungsneubaus geplant sind, könnten auf der anderen Seite die geplanten massiven Investitionen in die Infrastruktur den Wohnungsbau durch Kapazitätsbindung und Kostensteigerungen bremsen. Zu befürchten ist, dass die Bauwirtschaft nach den vergangenen Jahren möglicherweise nicht über ausreichende Kapazitäten verfügt, um alle Segmente gleichzeitig bedienen zu können. „Die geplanten Investitionen mittels Sondervermögen konzentrieren sich insbesondere auf Infrastrukturprojekte wie den Bau neuer Brücken, Krankenhäuser oder Schulen. Diese staatlichen Aufträge könnten den bestehenden Personalmangel in der Bauwirtschaft weiter verschärfen und die Preise für Baumaterialien in die Höhe treiben, was den Wohnungsbau weiter verteuern würde“, erläutert Heidrich.
Insgesamt zieht er für den Wohnungsneubau ein positives Fazit: „Auch wenn viele der Maßnahmen nicht neu sind, so kann doch die Kombination aus diesen ein deutliches Signal setzen, den Wohnungsneubau wieder wirtschaftlich attraktiv zu machen. Für Investoren und Entwickler sind die geplanten Maßnahmen ein erheblicher Schritt in die richtige Richtung, und auch die Wohnungsmieter könnten bei einer Ausweitung des Wohnungsbestands mittelfristig mit einer Entspannung an den Mietwohnungsmärkten rechnen.“
Mietwucherparagraf dürfte die Mietpreisbremse ablösen
Beim Thema Mietregulierung und Mieterschutz zeigt sich stattdessen klar die Handschrift der SPD. Hier finden sich eine Reihe an Punkten aus ihrem Wahlprogramm wieder, allen voran die Verlängerung der Mietpreisbremse um weitere vier Jahre, die nach Beobachtung von Dr. Sören Gröbel, Director of Living Research JLL Germany, jedoch nicht überraschend kommt und auch von Investoren und Eigentümern bereits erwartet wurde.
Die Reform zur „Präzisierung der Mietwucher-Vorschrift“ und der damit verbundenen Bußgeldbewehrung bei Verstößen gegen die Mietpreisbremse deutet Gröbel zufolge bereits auf das Ende der Mietpreisbremse und den nachfolgenden Regulierungsmechanismus durch den Wucherparagrafen hin. Diese Anpassung würde sich gut in den vor gut einem Jahr vorgelegten Entwurf des Bundesrats zur Modifizierung und damit zur Wiederbelebung dieses Instruments einfügen.
Auch die Ankündigung eines „Nationalen Mietenberichts“ passe in das Bild, nach Auslaufen der Mietpreisbremse mit einer verbesserten Mietdatengrundlage eine rechtlich belastbare Grundlage für die Anwendung des Wucherparagrafen zu schaffen, wenn Vermietern mit realen Sanktionen gedroht werde. „Allerdings bleibt unklar, wie ein nationaler Mietenbericht aufgebaut werden soll. Angesichts des geplanten Bürokratieabbaus und der Komplexität bei der Vereinheitlichung von Mietspiegeln, scheint dies doch eher schwierig“, meint Gröbel.
Geplante Mietenregulierung könnte negative Folgen haben
Während von den Punkten der SPD einige nicht in den Koalitionsvertrag aufgenommen wurden, darunter die Entfristung der Mietpreisbremse, die Absenkung der Kappungsgrenzen sowie die Anpassungen bei der Berücksichtigung von Mietspiegeln, wurde zumindest die Option einer erweiterten Regelung „in angespannten Wohnungsmärkten“ für „Indexmieten bei der Wohnraumvermietung, möblierte Wohnungen und Kurzzeitvermietungen“ im Koalitionsvertrag verankert. „Dieser Punkt spiegelt eine Reihe an Maßnahmen aus dem SPD-Wahlprogramm wider. Insgesamt ist es also zu dem Kompromiss gekommen, der bereits in unserer Analyse der Wahlprogramme erwartet wurde: eine Verlängerung der Mietpreisbremse mit der Option auf Erweiterungen. Ob und inwieweit diese Erweiterungen tatsächlich umgesetzt werden, bleibt jedoch fraglich“, analysiert Heidrich.
Er warnt davor, dass eine zukünftig geplante Regulierung von Indexmieten, möblierten Wohnungen sowie Kurzzeitvermietungen von Investoren und Banken sehr kritisch gesehen werden könnte, da in den vergangenen Jahren eine Vielzahl an neu gebauten Wohnungen in einer dieser Kategorien realisiert worden seien. „Eine mögliche Regulierung kann erhebliche Auswirkungen auf die entsprechenden Businesspläne und eventuell auch Finanzierungen haben. Die Regierung sollte die Unsicherheit über mögliche Erweiterungen rasch beseitigen, damit das Thema nicht wie ein Damoklesschwert über der Branche schwebt.“
Wohnungspolitische Forderungen der Wahlprogramme von CDU/CSU sowie SPD und den tatsächlichen Punkten aus dem Koalitionsvertrag mit Blick auf Wohnungsneubau und Mietregulierung sind in der Abbildung unten zusammengeführt.
Maßnahmen zur Gebäudeenergie bringen mehr Pragmatismus
Auch die neue Bundesregierung setzt sich für die Erreichung der Klimaziele im Gebäudesektor ein. Wie erwartet, soll das bestehende „Heizungsgesetz“ abgeschafft und durch ein technologieoffeneres, flexibleres und einfacheres GEG ersetzt werden. Dabei soll die erreichbare CO2-Vermeidung im Vordergrund stehen. Geplant ist zudem eine Harmonisierung der Energieeffizienzklassen mit den Nachbarländern Deutschlands.
Roman Heidrich kommentiert: „Die geplanten Maßnahmen bieten Eigentümern und Investoren mehr Pragmatismus bei der energetischen Transformation der deutschen Bestandswohnungen in Bezug auf die Reduzierung der CO2-Emmissionen. Die Vereinheitlichung der Energieeffizienzklassen ist zu begrüßen, da es in der Vergangenheit nicht verständlich war, dass für gleiche Gebäudetypen unterschiedliche Grenzwerte gelten.“
In Bezug auf die Wohneigentumsförderung für Familien plant die neue Bundesregierung die Verbesserung von steuerlichen Maßnahmen, die Schaffung von eigenkapitalersetzenden Maßnahmen und die Prüfung der Übernahme von staatlichen Bürgschaften für Hypotheken. Die Förderprogramme der KfW sollen zu zwei Programmen zusammengeführt werden: eines für den Wohnungsneubau und eines für die Modernisierung. Zudem sollen selbstnutzende Eigentümer zukünftig von den Regelungen des Milieuschutzes ausgenommen werden.
Fazit: Viele gute Ansätze, aber auch ein Wermutstropfen
Insgesamt stecken im Koalitionsvertrag nach Meinung der JLL-Experten „viele gute Ansätze und Ideen“, vor allem beim Wohnungsneubau, der energetischen Transformation des Wohnungsbestands sowie der Wohneigentumsförderung. „Die Verlängerung der Mietpreisbremse und eine zusätzliche Regulierung von Indexmieten, möblierten Wohnungen sowie Kurzzeitvermietungen sind dagegen ein Wermutstropfen für viele Marktteilnehmer“, sagt Heidrich. „Dass neben dem Bauministerium auch das Justizministerium in die Hand der SPD gehen soll, bietet eine höhere Unsicherheit für Eigentümer und Investoren in Bezug auf weitere Mietregulierungen.“