PropTech

PropTechs erzielen Rekordniveau bei Finanzierungen

Frankfurt am Main, 25.07.2024
  • Erstmalig 1000er-Marke geknackt: 1.090 deutsche PropTechs am Markt tätig, davon bereits 106 Neugründungen im ersten Halbjahr
  • 21 Unternehmen neu in wirtschaftlicher Schieflage gerutscht, weniger als im Vergleichszeitraum 2023
  • 1.789 Milliarden Euro Wagniskapital, Rekord dank Lebenszyklusphase „Energieeffizienz“
  • blackprint CEO Sarah Schlesinger: „Die Erfolge sind beeindruckend, müssen aber noch deutlich mehr ins Bewusstsein dringen und offensive Kommunikation ist der Schlüssel.“

Die auf Digitalisierung im Bau- und Immobiliensektor spezialisierte blackprintpartners GmbH (blackprint) mit Sitz in Frankfurt am Main hat den „blackprint PropTech Report“ für das erste Halbjahr 2024 veröffentlicht. Mit dem seit 2021 halbjährlich erscheinenden Report dokumentiert und analysiert blackprint anhand messbarer Indikatoren die Entwicklungen des deutschen PropTech Start-Up und Wagniskapitalsektors als Treiber für den Innovationsreifegrad der Bau- und Immobilienwelt.

Die Anzahl wirtschaftsaktiver PropTechs ist zum Stichtag 30.06.2024 um +22% gegenüber Vorjahr erneut auf ein Rekordhoch gestiegen. Trotz oder gerade wegen der multiplen Krisenlage sehen Gründende weiterhin innovative Handlungs- und Erfolgspotentiale im gesamtwirtschaftlich, gesamtgesellschaftlich sowie ob des potenziell hohen Impacts ökologisch relevanten Bau- & Immobiliensektors.

Zeitliche Entwicklung der Gesamtanzahl aktiver PropTech Start-ups in DeutschlandQuelle: blackprinter

PropTech boomt – Teil 1: Innovationsbedarf im Bau- & Immobiliensektor triggert Entrepreneure quer durch den Lebenszyklus zu gründen

Die hohe Anzahl an Neugründungen (H1/2024: 106), insbesondere verglichen mit dem Vorjahr (FY23: 143; H1/23: 70), kompensiert den Wegfall wirtschaftlich nicht mehr aktiver PropTechs durch Insolvenzen & Co., sodass sich zum 30.06.2024 erneut ein Rekordhoch an Startups im Bau- & Immobiliensektor verzeichnen lässt.

Die steigende Anzahl an Gründungen ist Indikator dafür, dass vermehrt Entrepreneure und Gründende den hohen Bedarf im Technologie- und Innovationsbereich rund um den Immobilienlebenszyklus insbesondere bezogen auf den Gebäudebestand sowie die makroökonomische Bedarfslage erkennen und entsprechend ihre Geschäftsmodelle ausrichten. Dabei fallen 23% aller Neugründungen auf den Bereich Energieeffizienz, welcher damit erneut die meisten Neugründungen verzeichnet. In Summe gehen 21% auf die beiden Bereiche Neubau/Material (13%) sowie Sanieren/Bauen im Bestand (8%) zurück, welche gemeinsam die notwendigen, aber fehlenden Bauaktivitäten reflektieren.

Krisenauswirkungen bleiben messbar – bieten aber keinen Grund zur Panik

Im H1/2024 sind 33 Start-Ups den Schritt in Richtung bzw. in die Insolvenz bzw. vom Markt abgegangen (als schwebend oder passiv gemeldet), was rund 3% der bekannten Start-Ups zum Stichtag 30.06.2024 ausmacht. Davon machen die Marktabgänge im Sinne der Passivmeldung 12 Unternehmen aus (Vergleich: H1/2023: 7). Die Anzahl der Start-Ups in wirtschaftlich offiziell neu gemeldeter Schieflage (21) liegen unter dem Vorjahreswert des ersten Halbjahres in 2023 (28). Da die Passiv- den Schwebendmeldungen nachlaufen, darf von einer weiteren Erhöhung der Marktabgangsquote im weiteren Verlauf des Jahres 2024 und folgend ausgegangen werden. Eine absolut höhere Anzahl an Unternehmen in Schieflage ist in einem wachsenden Sektor grundsätzlich kein Negativindiz. Nichtsdestotrotz deutet sich eine Teilkonsolidierung in gewissen Marktsegmenten an, die sich insbesondere in den Wertschöpfungsstufen „Vermietung, Vermarktung und Verkauf“ sowie „Planen & BIM“ zeigt.

PropTech breitet sich aus: in Metropolregionen wie in der Fläche

Die Top 7 Immobilienstädte sind auch im ersten Halbjahr 2024 führend hinsichtlich der Anzahl der aktiven PropTechs. Bei der Wachstumsraten-Betrachtung der Immobilien-A-Städte fällt auf, dass die angrenzenden Metropolregionen, insbesondere bezogen auf Rhein-Main oder Rhein-Ruhr erheblich schneller an Standort-Attraktivität gewinnen. Andere Metropolregionen wie Nürnberg, Bremen Oldenburg oder Hannover-Braunschweig-Göttingen-Wolfsburg ziehen an. Gleichzeitig breiten sich PropTechs in der Fläche aus: +27% wählen als Standort außerhalb der TOP 7 und Metropolregionen gelegenen Orte aus.

PropTech boomt – Teil 2 & der Sektor ist gereift: Bereits zum Halbjahr übertrifft das

Investitionsvolumen in PropTechs Vorjahr 2023 – bedingt durch Venture Debt Finanzierungen und mehr Later Stage Runden. Die deutlich skalierte Zunahme des Wagniskapitalvolumens seit der Corona-Zeit setzt sich in einem Rekordhalbjahr 2024 fort.

Investitionsvolumen PropTechs in Deutschland (2016 – 2023) in Millionen Euro. Quelle: blackprint

Mit einem Finanzierungsvolumen von 1.789 Millionen Euro bzw. +60% im ersten Halbjahr 2024 ist bereits das gesamte Vorjahr 2023 nach 6 Monaten übertroffen. Die erstmalig separat ausgewiesene Venture Debt Komponente macht dabei rund 68% des gesamten Volumens aus, gefolgt von den klassischen Finanzierungsstufen.

Die 10 größten Finanzierungsrunden umfassen bereits 1.672 Millionen Euro und machen 93% aller PropTech Investments aus. Die Top 3 Finanzierungen gehen dabei auf die Finanzierung von Enpal (1.100m€ – Venture Debt), sowie Enviria (185 – Series B) und Cloover (105m€ – Seed) zurück.

Insgesamt wurden im ersten Halbjahr 2024 59 Finanzierungsrunden Transaktionen gezählt, was fast dem gesamten Vorjahresniveau (63) entspricht. Insbesondere der Zuwachs im Bereich der M&A Transaktionen ist auf die zunehmende Marktreife in Form von strategischen Übernahmen, aber auch (Aus-)Verkäufen, zurückzuführen.

Malte Westphal, Head of Scouting & Market sowie blackprint Experte für den PropTech- und StartUp Finanzierungsbereich, kommentiert den Halbzeitstand wie folgt: „Ein Rekordjahr jagt das andere. Das ist wichtig, denn der Handlungsbedarf könnte größer nicht sein. Der PropTech Sektor wird heiß, anders als bei unserer Erde ist aber keine Überhitzung absehbar. Man könnte hier trotz der erneuten Rekordfinanzierungen & Anzahl der aktiven PropTech eher noch von einer Unterkühlung sprechen. Das Funding Gap ist immer noch, insb. mit Hinblick auf die gesamtgesellschaftliche und – wirtschaftliche Situation, viel zu groß. Es braucht mehr Kapital und Risikobereitschaft, auch wenn die zunehmend sektorenagnostische & internationalen Kapitalgeber vermehrt das Potential zum Realisieren von Rendite und einem gesellschaftlichen sowie ökologischen Mehrwert wahrnehmen. Ebenso erkennen die Gründenden weiterhin das Potential des Sektors insbesondere im Bereich der energieeffizienten und sanierten Gebäude, was sich in den Neugründungszahlen widerspiegelt. Eine erfreuliche Halbzeitbilanz, die Grund zur Hoffnung gibt, dass der Bau- und Immobiliensektor seinen Einfluss erkennt und die Verantwortung wahrnimmt.“

Wagniskapitalgeber finanzieren, was sie kennen.

Der Fokus auf Energieeffizienz ist wichtig, aber sehr einseitig. Es zeigt sich: die Branche selbst investiert zu wenig in Venture Capital.

In der Analyse nach Wertschöpfungsstufen zeigt sich, dass die Kategorie „Energieeffizienz“ mit 88% (1.581 Millionen Euro) des Gesamtfinanzierungsvolumensihrer Spitzenreiterposition weiterhin verteidigen kann. Bereits im Jahr 2023 war Energieeffizienz das Segment mit dem höchsten Kapitalzufluss (2023: 753 Millionen Euro). Insbesondere die Venture Debt Finanzierungen spielen für die kapitalintensiven Geschäftsmodelle im Bereich der erneuerbaren Energien eine essenzielle Rolle und spiegeln sich entsprechend im Volumen, als auch in den Finanzierungsrunden wider.

Es folgt mit 94 Millionen Euro Finanzierungsvolume und vier Finanzierungen die Kategorie „Konzepte & Services für Mieter & Nutzer“, welche insbesondere durch die Series C Finanzierung in Höhe von 93 Millionen Euro von dem AI-Start-Up Cognigy geprägt wird. Projektentwicklung & Smart City verzeichnet ebenfalls ein signifikantes Wachstum und steht nach 6 Monaten bei 37 Millionen Euro Kapitalzufluss, dabei steuert die Series B Finanzierung von Live EO über 25 Millionen Euro knapp zwei Drittel des Volumens bei.

Im Bereich Vermarktung, Vermietung & Verkauf, sowie Planen & BIM konnten im ersten Halbjahr kein Kapitalzufluss quantifiziert werden und stellen somit das Schlusslicht der Aufschlüsselung nach Wertschöpfungsstufen dar.

Der HighTech Gründerfonds (HTGF) ist im Jahr 2024 bisher der aktivste Wagniskapitalgeber mit der höchsten Rundenbeteiligung (4). Insgesamt zehn Wagniskapitalgeber von insgesamt 125 Aktiven im ersten Halbjahr haben sich an mehr als einer Runde beteiligt. Alexander von Frankenberg, Geschäftsführer des HTGF sagt dazu: „Sich immer schneller und kraftvoll entwickelnde Innovationen sind der Schlüssel zur Lösung aktueller und zukünftiger Herausforderungen. Dies gilt auch und insbesondere für den Bau- und Immobiliensektor. Digitalisierung, AI, neue Materialien, intelligente Gebäudesteuerung, Energiemanagement sind nur einige der Themenfelder, die den zunehmenden Kostendruck, Gebäude- und Klimaeffizienz und den Bedarf an neuem und flexiblem Wohnraum erfolgreich adressieren können.“

Zeit für Professionalisierung und starke Lobbyarbeit

Sarah Schlesinger, Managing Partner von blackprint: „Der PropTech Boom flacht nicht ab und trifft doch auf Herausforderungen. Der PropTech-Sektor befindet sich an einem entscheidenden Wendepunkt. Trotz wirtschaftlicher Unsicherheiten wächst dieser Technologiebereich kontinuierlich zu einem der größten Deutschlands, wird zunehmend zum relevanten Arbeitgeber und zeigt beeindruckende Innovationskraft. Die stärkere Professionalisierung in puncto PR, Kooperation und vereinter Lobbyarbeit des Sektors ist dabei dringend und überfällig. Es gilt Erfolge sichtbarer und lauter kommunizieren, um das Interesse und Vertrauen von Investoren, Partnern und Kunden zu gewinnen. Es gilt, die Attraktivität des Sektors als Innovationspartner auf Augenhöhe sowie Investment-Sparte in der Branche und bei Investoren national wie international zu steigern, besonders um notwendige Innovationsfinanzierungen wie auch politische, regulatorische und Mindset-Veränderungen herbeizuführen.“