Schärfere Mietenregulierung nach der Bundestagswahl ist unwahrscheinlich
Maßnahmen zur Stimulierung des Wohnungsneubaus dürften zügig beschlossen werden
Die Wohnungspolitik nimmt im laufenden Wahlkampf zur vorgezogenen Bundestagswahl 2025 wieder eine größere Rolle ein. Alle Parteien adressieren die damit verbundenen Themen in ihren Wahlprogrammen, allerdings in unterschiedlicher Tiefe und Ausrichtung. Der Immobiliendienstleister JLL hat die wohnungspolitischen Positionen der jeweiligen Parteien analysiert, die vorgeschlagenen Einzelmaßnahmen gewichtet und hinsichtlich ihrer Umsetzungswahrscheinlichkeit bewertet.
„Die Vorgängerregierungen haben sowohl beim Wohnungsneubau als auch bei der Bezahlbarkeit ihre selbst gesteckten Ziele deutlich verfehlt. Daher haben diese Themen einen signifikant höheren gesellschafts- und sozialpolitischen Stellenwert erhalten. Entsprechend werden sie von den Parteien im Wahlkampf strategisch aufgegriffen und für ihre jeweiligen politischen Zwecke genutzt“, erläutert Dr. Sören Gröbel, Director of Living Research JLL Germany.
Dass die Parteien dabei unterschiedliche Schwerpunkte setzen, spiegele die Komplexität der wohnungspolitischen Herausforderungen wider. „Während bei der Ausweitung des Wohnungsangebots weitgehend Einigkeit herrscht, sehen wir bei der Mietpreisregulierung erhebliche Differenzen. Dies könnte die Kompromissfindung in möglichen Koalitionsverhandlungen erschweren“, unterstreicht Gröbel.
Für die Analyse wurden die von den Parteien vorgeschlagenen Einzelmaßnahmen fünf Kategorien zugeordnet: Mietregulierung und Mieterschutz, Wohneigentumsförderung, sozialer Wohnungsneubau und Objektförderung, Wohnungsneubau: Planungs- und Baurecht sowie Bestandsimmobilien und Wärmewende.
Bei den möglichen Regierungsparteien wird deutlich, dass die Union den Fokus auf den Wohnungsneubau legt, während die Grünen und die SPD jeweils ihren Schwerpunkt im Bereich Mietregulierung und Mieterschutz haben. Auch der soziale Wohnungsneubau ist für SPD und Grüne von größerer Bedeutung, während sich die Union etwas stärker auf die Wohneigentumsförderung konzentriert.
Grüne und SPD wollen an der Mietpreisregulierung drehen
Die Grünen haben mit dem konkreten Vorschlag, „regionale Mietenstopps“ zu ermöglichen, einen besonders weitreichenden Punkt im Bereich bei der Mietpreisregulierung in ihr Wahlprogramm aufgenommen. Ein Mietenstopp oder auch Mietendeckel ist der restriktivste Eingriff in die Mietpreisbildung, der von den dargestellten Parteien genannt wird. Die SPD hat mit dem Vorschlag, die „Kappungsgrenze auf sechs Prozent“ zu senken, ebenfalls einen stark eingreifenden Punkt im Bereich bei der Mietpreisregulierung, da dieser sehr flächendeckend wirkt und zudem eine deutliche Absenkung gegenüber den bisher geltenden Werten (15 Prozent beziehungsweise 20 Prozent) darstellt.
Auffällig bei der SPD ist zudem der Vorschlag einer unbefristeten Mietpreisbremse und ihre Ausweitung auf befristete Mietangebote und (teil-)möblierte Wohnungen. Diese Punkte finden sich auch im Wahlprogramm der Grünen wieder. Die Union hält sich bei der Mietpreisbremse dagegen zurück und stellt lediglich klar, dass sie „einen wirksamen und angemessenen Mieterschutz“ anstrebt. Dies bietet einen nicht unerheblichen Interpretationsspielraum im Rahmen von möglichen Koalitionsverhandlungen.
Bei den Oppositionsparteien sind teilweise noch stärkere Fokussierungen auf einzelne Teilbereiche wohnungspolitischer Maßnahmen zu beobachten. Das BSW und die Linke weisen deutliche inhaltliche Ähnlichkeiten auf. Ihre Prioritäten im Bereich Wohnungspolitik liegen erwartungsgemäß sowohl in der Mietregulierung und im Mieterschutz als auch im sozialen Wohnungsneubau.
FDP legt Fokus auf Ausweitung des Wohnungsangebots
Das Wahlprogramm der FDP weist ähnliche vergleichbare Schwerpunkte wie jenes der Union auf: eine starke Fokussierung auf planungs- und baurechtliche Maßnahmen zur Stimulierung des Wohnungsneubaus sowie die Stärkung des Wohneigentums. Dabei enthält das Wahlprogramm vor allem zu erstgenannten Punkten eine Reihe von vorgeschlagenen Maßnahmen. Diese reichen von der Reduzierung von Baustandards bis zu Erleichterungen im Bauordnungsrecht. An dem von der FDP eingeführten Gebäudetyp E würde man auch in Zukunft festhalten und diesen als „Blaupause für die Entrümpelung des Baurechts“ nutzen.
Die AfD hebt sich von den anderen Parteien insofern ab, als dass ihre Schwerpunkte deutlich auf der Wohneigentumsförderung und im Bereich der Bestandsimmobilien und Wärmewende liegen. Letzteres ist vor allem geprägt durch eine ablehnende Haltung gegenüber den Maßnahmen früherer Regierungen, etwa den Novellierungen im Bereich des Gebäudeenergiegesetzes. Dies wird etwa daran deutlich, dass die AfD „EEG-Umlage, CO2-Steuer und das Gebäudeenergiegesetz (GEG)“ abschaffen würde.
„Die wichtigsten Themen der Parteien sind eindeutig der Wohnungsneubau und die Mietpreisregulierung. Bei den Koalitionsverhandlungen, die mutmaßlich zwischen CDU/CSU und der SPD oder den Grünen stattfinden werden, dürfte es bei der Mietpreisregulierung zu deutlichen Differenzen kommen“, meint Roman Heidrich, Lead Director Residential Valuation JLL Germany.
Beim Wohnungsneubau liegen die Positionen dagegen grundsätzlich nah beieinander: „Alle drei Parteien wollen Verfahren weiter digitalisieren, vereinfachen und beschleunigen sowie das Planungsrecht teilweise anpassen. Hier dürfte es keine größeren Schwierigkeiten geben, in einem Koalitionsvertrag Einigungen zu erzielen. Fraglich bleibt allerdings die Finanzierbarkeit der geplanten Vorhaben sowie die Wirksamkeit und konkrete Umsetzung der Ziele.“
Starke Gegensätze machen Kompromisse unwahrscheinlich
Extreme Unterschiede in den wohnungspolitischen Ansätzen bedeuten nicht zwangsläufig eine hohe Kompromissbereitschaft. Ein gutes Beispiel dafür sind die beiden Vorgängerregierungen: CDU/CSU und SPD hatten zur Bundestagswahl 2013 unterschiedliche Positionen zur Mietpreisbremse. Letztlich konnte sich die SPD mit einigen ihrer Positionen durchsetzen. Im Koalitionsvertrag wurden mehrere Mietrechtsänderungen vereinbart, darunter die bis heute gültige Mietpreisbremse bei Wiedervermietungen (Inkrafttreten 2015) und die Kappung der Modernisierungsumlage (2019).
Auch 2021 gab es große Differenzen bei der Mietpreisbremse. Während die Grünen für eine Verschärfung der Mietpreisbremse plädierten, sprach sich die FDP für eine grundsätzliche Abschaffung der Mietpreisbremse und der Kappungsgrenzen aus. Ähnlich stark waren die Gegensätze im Bereich des sozialen Wohnungsneubaus. Angesichts dieser Gegensätze wurde erwartungsgemäß mehr auf Gemeinsamkeiten als auf Kompromisse gesetzt. Das bedeutete damals eine Fokussierung auf den Wohnungsneubau und die Digitalisierung in der Bauwirtschaft. Die Mietpreisbremse blieb hingegen unangetastet.
Politische Unsicherheit hemmt Wohnungsmarkt stärker als zu erwartende Restriktionen
Die Bundestagswahl 2025 wird nach Ansicht Gröbels sowohl direkte als auch indirekte Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt haben. „Während die indirekten Effekte hauptsächlich durch die mit der Neuwahl verbundene politische Unsicherheit entstehen, resultieren die direkten Einflüsse aus neuen wohnungspolitischen Impulsen und einer angepassten Gesetzgebung. Es ist zu erwarten, dass etwa aus Investorensicht die negativen Folgen durch die allgemeine Unsicherheit größer sein werden als die zu erwartenden Restriktionen durch die zukünftige Regierung.“
Angesichts der Differenzen im Bereich der Mietpreisregulierung zwischen CDU/CSU einerseits und SPD und Grünen andererseits erwartet er, dass ein Kompromiss in diesem Bereich nicht allzu viele Änderungen an der derzeitigen Situation mit sich bringen werden. „Modifizierungen im Mietrecht, wie etwa Anpassungen der Mietpreisbremse, sind aber nicht auszuschließen und könnten durchaus im Koalitionsvertrag verankert werden. Inwieweit alle Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden, bleibt allerdings fraglich und hängt auch davon ab, welche Parteien die zuständigen Ministerien führen werden.“
Stattdessen dürften die Parteien eher auf Gemeinsamkeiten im Bereich des Wohnungsneubaus setzen. „Alle Initiativen, die eine Ausweitung des Wohnungsangebots durch Neubau in Städten und Regionen mit Wohnraummangel zur Folge haben, bieten Investoren natürlich erhebliche Chancen“, ergänzt Heidrich.