PropTech

Trotz 1,789 Milliarden Euro für PropTechs fehlt Wagniskapital

Berlin, 22.08.2024

Der aktuelle PropTech-Report von blackprint belegt einmal mehr, dass innovative Gründer in der Branche durchaus eine Perspektive haben, sich auch langfristig im Markt zu etablieren. Allerdings gibt es einen besorgniserregenden Trend. Darauf macht Heike Gündling, Vorstand bei der German Platform for Technology and Innovation (gpti) aufmerksam. Gündling ist in der Immobilienwirtschaft anerkannt. Sie hat selbst PropTechs mitgegründet oder als verantwortliche Geschäftsführerin bis zum Exit begleitet. Das Thema “frisches Kapital” – mit all den verbundenen Herausforderungen – kennt sie aus eigener Erfahrung. 

Eine Zahl im PropTech-Report hat sie nachdenklich gestimmt. Denn die Gesamtsumme von im Report genannten 1,789 Milliarden Euro verdeckt, dass bei genauer Betrachtung deutlich weniger Wagniskapital bereitgestellt wird. „Seit über 30 Jahren bin ich in der Immobilienbranche tätig, und seit 10 Jahren arbeite ich mit Unternehmen, die wir als innovativ und technologieaffin beschreiben – PropTechs und Start-ups. In dieser Zeit habe ich viele Höhen und Tiefen erlebt, aber eine Entwicklung bereitet mir ernste Sorgen: die wieder einmal rückläufige Bereitschaft zur Bereitstellung von Wagniskapital in unserer Branche”, sagt Heike Gündling.

Kapital ohne Risikobereitschaft hilft nur wenigen

Investoren sind bereit, gute Ideen entsprechend mit Kapital zu unterstützen. Das belegt die Summe der im Report genannten 1,789 Milliarden Euro. Gleichzeitig offenbart der Betrag auch, dass 93 Prozent des Kapitals im ersten Halbjahr auf insgesamt nur 10 Finanzierungsrunden allokiert sind. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass nur zehn Unternehmen 1,672 Milliarden Euro eingesammelt haben. Die Differenz von 117 Millionen Euro verteilt sich laut Report im Berichtszeitraum auf 49 Finanzierungen. Im Schnitt erhielten die Proptechs demnach 2,38 Millionen Euro je Finanzierungsrunde. Insgesamt wurden im ersten Halbjahr 59 Finanzierungen in der Studie berücksichtigt.

Besonders gut läuft es dabei, nicht verwunderlich, für Technologien, die einen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten. Größter Profiteur ist dabei Enpal: Mit der Summe von rund 1,1 Milliarden Euro, die dem Unternehmen Enpal als VC-Kapital zugeschrieben wird, steht Geld für den Ausbau regenerativer Energie zur Verfügung. Doch muss man sich dabei eine Frage stellen: Handelt es sich hier tatsächlich um Wagniskapital im eigentlichen Sinne?

Nein, denn einerseits wird hier nicht in das Unternehmen Enpal und seine Geschäftsidee investiert, sondern Kapital für Kundenfinanzierungen von PV-Anlagen bereitgestellt. Zum anderen investieren dabei keine VC-Investoren, sondern Banken stellen Darlehen bereit. Das Risiko-Profil ist damit ein grundlegend anderes, dem ausgereichten Kapital Sicherheiten in Form technischer Anlagen (PV-Anlage) entgegenstehen. Geht Enpal pleite, gehört der Bank noch die Anlage, die sogar Geld verdient. Investiert ein Risikokapitalgeber hingegen in ein PropTech, muss er, sofern das Geschäftsmodell vom Markt nicht angenommen wird, gegebenenfalls mit dem Totalausfall rechnen.

Diese Art von Finanzierung unterstützt die Entwicklung der Produkte und ihrer Markteinführung und fließt damit in das Wachstum der Unternehmen. Die Entwicklung von (weitergehenden) technologischen Innovationen wird damit aber maximal indirekt finanziert. Ein gutes Signal für die Energiewende in unserem Land, aber mit wenig Einfluss auf die Zukunftsfähigkeit unserer Branche. Demnach bleiben von den angegebenen Summen, die hier als Wagniskapital verbucht werden, von 1,7 Mrd. abzgl. 1,1 Mrd. für Enpal und abzgl. 105 Mio. für Cloover netto rund 495 Mio. Euro. Dieser Betrag liegt deutlich unter den Summen, die im Report 2022 (621 Millionen Euro im 1. Halbjahr) und 2023 (644 Millionen Euro im 1. Halbjahr) ausgewiesen wurden. Das entspricht einem Minus von rund 23 Prozent zur berichteten Zahl aus 2023.

Begriff PropTech weit gefasst

Ein weiterer Faktor trübt das dargestellte Bild: Die Definition von PropTech wurde für den Report sehr weit gefasst. Unternehmen wie Cognigy und LiveEO mögen in Zukunft Anwendungsfälle auch in der Immobilienbranche haben, aktuell fokussieren sie sich jedoch auf andere Branchen. Folgt man dieser Systematik, müsste das Finanzierungsvolumen deutlich weiter gefasst werden. Dann dürfen beliebige Software-Unternehmen hinzugezählt werden, die künftig ebenfalls einen theoretischen oder praktischen Anwendungsfall in der Bau- und Immobilienwirtschaft darstellen.

Über diese differenzierte Betrachtung lässt sich in gewisser Form auch immer diskutieren. Was aber beim Blick in alle diese Zahlen klar wird: Das Geld fließt zu massiven Anteilen in sehr reife (Start-up)-Unternehmen. Laut blackprint sind derzeit 93 Prozent des Kapitals in die Top-10 Finanzierungsrunden investiert worden. Was dies offenbart? Besonders junge Unternehmen und damit jene, die oft die Technologien und Geschäftsmodelle von morgen entwickeln, erhalten im Verhältnis zu ihrer Anzahl inzwischen deutlich weniger Kapital als noch vor wenigen Jahren. Dies spiegelt insbesondere die erneut rückläufige Risikobereitschaft der Investoren – auch besonders derer aus unserer Branche – wider.

Zusammengefasst: Die Investitionen in Digitalisierung und Innovation in der Immobilienbranche stagnieren bzw. zeigen eine rückläufige Tendenz auf, was auch die Erfahrungen der gpti-Mitglieder aktuell belegen. Und so gerne der gpti auch auf Erfolgs-Cases der mittlerweile etablierten Wachstumsunternehmen schaut, darf man die notwendige Dringlichkeit in der Nachricht nicht außer Acht lassen:

Die Branche wird ohne massive Investitionen in Form von Wagniskapital, kaum in der Lage sein, die notwendigen Innovationen in der gebotenen Geschwindigkeit zu entwickeln und marktreif zu machen. Diese sind aber dringend notwendig, um langfristig nachhaltig – auch im Sinne von ESG – und erfolgreich zu sein.

“Es ist an der Zeit, dass wir uns dieser Problematik in ihrer ganzen Tragweite bewusst werden und gemeinsam nach Lösungen und Alternativen suchen, um die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit unserer Branche zu erhalten bzw. zu fördern.“ fordert gpti-Vorstand Heike Gündling. Mit Wagnis, Mut und Zutrauen werden wir das Potential der innovativen Technologietreiber künftig schneller in die Praxis bringen können – zum Wohl der Branche, der Unternehmen und auch der kommenden Generationen!